4 schnelle Tipps zum Umgang mit Nervosität

Ich werde oft gefragt, ob meine Schauspielkolleg*innen und ich auch nach vielen Jahren auf der Bühne, vor der Kamera oder vor dem Mikrofon immer noch Lampenfieber bekommen. Die Antwort ist: Ja. Ich habe noch nie jemanden aus meiner Branche getroffen, der sagte: Ach, Premiere, das ist für mich auch nicht anders als zuhause auf dem Sofa zu sitzen.

Drei Ursachen für Lampenfieber

Das hat meiner Erfahrung nach vor allem drei Ursachen. Die erste und wichtigste Ursache ist, dass es sich um einen Live-Moment handelt. Das bedeutet, dass wir nicht vorhersagen können, was passieren wird. Sind alle enttäuscht? Sind alle begeistert? Wir wissen es nicht und können nur hoffen, dass letzteres der Fall sein wird (dafür können wir natürlich auch einiges tun, dazu mehr weiter unten).

Eine weitere Ursache für Aufregung vor einer Präsentation ist die Tatsache, dass unser Gehirn blitzschnell jede Situation überprüft, in der wir uns befinden. Ist das alltäglich oder ist das bedrohlich? Und auf einer Bühne zu stehen und in hundert fremde Augenpaare zu blicken, das ist nun wirklich nicht alltäglich. In der Menschheitsgeschichte war es in den allermeisten Fällen ein Grund, sich auf eine Flucht vorzubereiten, und zwar so schnell wie möglich. 

Meiner Erfahrung nach stimmt aber auch das Gegenteil. Wir müssen nicht unbedingt an Steinzeitmenschen denken, deren Höhlenausgang von einer feindlichen Gruppe umstellt war, um in den „flight“-Modus zu gehen. Auch die Vorstellung, wir würden uns selbst erhöhen, in dem wir uns „wie ein Häuptling“ vor eine freundlich gesinnte Gruppe stellen, Raum für uns beanspruchen und einen Vortrag halten, führt zu erhöhtem Stress. Denn damit behaupten wir eine Position, mit der wir uns vielleicht noch garnicht auseinandergesetzt haben. „Ich stehe hier und rede“, das bedeutet auch „Ich habe etwas zu sagen“. Und diese Position ist vielen Menschen fremd und unangenehm. 

In Studien geben 50-70 % der Bevölkerung an, sie würden ungern vor Publikum reden. 20-30% verspüren sogar große Angst davor. Die drei genannten Ursachen sind dafür sicher die Hauptverantwortlichen. Doch die gute Nachricht ist: Wir können etwas gegen übermäßige Nervosität tun.

Mit Vorbereitung Nervosität in Schach halten

Alles, was wir fürchten, versuchen wir zu vermeiden. Doch spätestens seit der Verhaltenstherapie, in der man genau das Verhalten trainiert, das Angst auslöst, sich also zum Beispiel die gefürchtete Spinne auf die Hand setzt und feststellt, dass sie einem nichts tut, wissen wir, dass sich der Umgang mit Angst trainieren und dadurch verändern lässt. 

Rhetorik in der Schule – das wär´s

Bei Nervosität und Lampenfieber wirkt diese Methode sehr gut, das habe ich in unzähligen Workshops und Coachings gesehen. Ich denke oft, die eigentliche Crux ist, dass es in der Schule kein Fach „Rhetorik“ mehr gibt, wie das im alten Rom selbstverständlich war. Dort übten die Schüler (ich fürchte, Schülerinnen kamen nicht in diesen Genuss) die Kunst der Rede. Wir hingegen haben keine Gelegenheit zum Üben. Jede Rede, jeder Vortrag ist „der Ernstfall“, das Publikum sitzt vor uns und jeder Fehler zählt. Dabei ist es eine tolle Erfahrung, die eigenen Präsentationsfähigkeiten zu stärken, mit Körpersprache und Stimme zu experimentieren und die Komfortzone auf diese Weise zu erweitern. Auch schüchternen und introvertierten Menschen macht das Spaß, wenn es auf spielerische und unterstützende Weise stattfindet. 

Tipp No. 1: Übe

Deine Präsentation steht vor der Tür und du hast keine Zeit, an einem Workshop oder einem Coaching teilzunehmen? Dann übe deine Präsentation! Hört sich nicht besonders originell an? Das stimmt, aber wenn ich mit meinen Gruppen rede und frage, wer übt denn seinen Vortrag, dann stellt sich jedesmal heraus, dass die überwiegende Mehrheit die halbe Nacht Slides gestaltet, passende Fotos bei Stockfoto-Anbietern sucht und stundenlang Grafiken bearbeitet. Zum Üben war dann leider keine Zeit mehr. Das sind falsche Prioritäten. Denn das, was Menschen wirklich überzeugt, bist du. Wenn du dann auch noch hübsche Slides hast – umso besser. Wenn nicht – kannst du trotzdem überzeugen. Das können hübsche Slides nicht. Darum: Übe deinen Vortrag mindestens drei Mal. Höre dir selbst zu. Achte darauf, ob deine Inhalte verständlich sind und du gut von einem zum nächsten führst. Achte dabei auch auf das Sprechtempo. Einem mündlichen Vortrag zu folgen, erfordert vom Publikum Aufmerksamkeit. Gib ihm Zeit dafür. Mach Pausen. Atme.

Nina Weniger lachend auf der Bühne mit großer Geste
Beim Üben kann man gerne auch mal übertreiben

Tipp No. 2: Aktiviere den Körper

Viele Menschen gehen vor einem Auftritt in eine Art Freeze. Sie sprechen mit niemandem, sondern kauern sich in eine Ecke, bis der Moment des Auftritts da ist. Der Körper ist dann völlig überrumpelt, er weiß nicht, wozu er gebeten ist und reagiert so, wie er es schon viele Male vorher getan hat: er lässt die Stimme zittern, die Atmung unruhig werden und die Finger am Pulli zuppeln. Manche Leute nehmen ihrem Körper das sogar übel und fühlen sich sabotiert. Mein Vorschlag: Bereite den Körper vor. Geh morgens vor der Präsentation joggen, boxen, tanzen oder mach Yoga. Hauptsache, deine Schritte auf die Bühne sind nicht die erste körperliche Aktivität an diesem Tag. Wir würden ja auch keinen Marathon laufen, ohne uns vorher aufzuwärmen. Eine Präsentation vor Publikum ist aufregend. Bereite den Körper darauf vor, nimm ihn mit ins Boot, anstatt ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Er wird es dir durch bessere Mitarbeit danken.

Nina Weniger in rotem Kleid mit ausgestreckten Armen
Lieber ein bisschen Aufwärmen als garnicht

Tipp No. 3: Wertschätzung 

Warum ist meine Botschaft wichtig? Viele meiner Coachees machen ihre eigene Botschaft klein, sie sagen, das wäre im Grunde unwichtig, das wüsste ohnehin jeder und ob sie das jetzt auch noch sagen oder es lassen, spielt keine Rolle. Wenn sie mir dann ihre Themen präsentieren, bin ich verblüfft. Davon hatte ich noch nie gehört. Das klingt interessant. Erzähl mir mehr davon!

Das Problem hier ist, dass wir uns täglich mit unseren Themen beschäftigen und uns vielleicht auch in einer Bubble bewegen, in der alle anderen sich ebenfalls damit befassen. Und schon schlussfolgern wir: Das weiß doch jeder. Das ist doch langweilig. Das ist nichts besonderes. Ich kenne das auch. Dinge aus dem Schauspielerleben, die mir völlig selbstverständlich sind, sind für andere Leute unbekannt und neu. Und davon solltest du ausgehen: Dass andere Menschen sich nicht genauso wie du mit diesem Thema beschäftigt haben und dass deine Perspektive darauf für andere hoch spannend ist.

Tipp No. 4: Bleib dir treu

Blickkontakt mit dem Publikum aufzunehmen, ist sehr hilfreich, um eine Verbindung aufzubauen. Häufig fürchten Vortragende aber die Reaktionen der Zuschauenden. „Was mach ich, wenn die gelangweilt gucken?“, fragen sie mich und hoffen, dass es unter diesen Umständen okay ist, doch ganz schnell zu sprechen und dann im Sauseschritt von der Bühne zu verschwinden. Das Problem mit dem „gelangweilt gucken“ ist, dass wir nicht wissen, ob wir mit unserer Interpretation überhaupt richtig liegen. Vielleicht ist die Person konzentriert? Vielleicht sieht sie immer so aus? Vielleicht hat sie Kopfschmerzen? Vielleicht denkt sie an einen bevorstehenden Vortrag? Wir wissen es nicht. Wie wollen wir in unserer Präsentation nun darauf reagieren? Mein Tipp: Bleib bei dir, bleib bei dem, was du vorbereitet hast. Schneller werden hilft niemandem, „lustiger werden“ ist auch eine schwierige Sache, den Text umstellen oder gar kürzen? Nein. Ich habe es schon so oft erlebt, dass vermeintlich gelangweilte Leute hinterher mit den tollsten Kommentaren zu mir kamen, sich auf Details in meiner Lesung bezogen oder Hinweise zum Inhalt meiner Präsentation hatten. Und ich dachte still bei mir: „Du? Hast du nicht die Hälfte der Zeit geschlafen?“ Offenbar lag ich falsch und daher lass dich nicht aus der Bahn werfen, sondern geh davon aus, dass dein Publikum interessiert und offen für dein Thema ist – sonst wäre es wahrscheinlich garnicht gekommen.

Nina Weniger in einer roten Muschel
Bei sich bleiben – das kann sich anfühlen, wie in einem roten Samtsessel

So, dass waren meine 4 essentiellen Tipps. Ich hoffe, sie helfen dir beim vorbereiten und durchführen deines Rede-Projektes! Lass mich gerne wissen, wie es dir erging!

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