5 Gründe, warum langsam sprechen besser ist als schnell sprechen

Langsam sprechen hat keinen guten Ruf. Es steht fälschlicherweise bei vielen für langsames Denken und für Zeitverschwendung. „Ich bin sehr ungeduldig, deswegen spreche ich schnell“, höre ich oft von meinen Coaching-Kund*innen. Dazu kommt die Vorstellung, dass man nicht so viel Raum einnehmen möchte. „Mein Thema ist nicht so spannend/es ist trocken und faktenbasiert/es sind nur ein paar Infos“, wird mir erklärt, und darum müsse so eine Präsentation schnell gehalten werden und vor allem schnell vorüber sein.

Eine andere Ursache für schnelles Sprechen kann Druck von außen sein. Sekunden vor dem Vortrag wird der Rednerin zugeraunt: „Wir sind im Verzug, bitte fassen Sie sich kurz“. Und dann spricht sie schnell, denn die Inhalte stehen fest, der Text ist geschrieben, es bleibt nur die Möglichkeit, das Ganze in hoher Geschwindigkeit über die Bühne zu bringen.

Doch häufig ist das schnelle Sprechen gar keine bewusste Entscheidung. Das Unbehagen, die exponierte Positionierung auf der Bühne möglichst schnell wieder verlassen zu können, steht im Vordergrund. Auch in Meetings oder kleinen Gruppen möchten manche Redner*innen die Situation einfach nur hinter sich bringen und verwechseln schnelles Sprechen mit Effektivität.

Was ist der Unterschied zwischen langsam und schnell sprechen?

Langsam sprechen bedeutet, die Worte in einem gemächlichen Tempo auszusprechen. Laute und Silben werden dabei (meist) deutlich artikuliert. Diese Sprechweise ermöglicht der Rednerin oder dem Redner, Pausen zu machen. Langsame Sprache wird oft in formellen Präsentationen, bei der Erklärung komplexer Inhalte oder in emotionalen Momenten verwendet. 

Schnell sprechen bedeutet, die Worte in einem zügigen Tempo auszusprechen. Einige Laute und Silben werden dabei häufig undeutlicher ausgesprochen, verschliffen oder Endungen verschluckt. Pausen zu machen ist bei schneller Sprechweise eine Herausforderung. Schnelles Sprechen kann Energie und Enthusiasmus vermitteln. Schnelle Sprache wird häufig in informellen Gesprächen genutzt, wenn Rednerin oder Redner dynamisch wirken wollen, aber auch, wenn eine Situation als unangenehm wahrgenommen wird und schnell beendet werden soll.

Der Inhalt bestimmt die Form

Wie bei allen Präsentationen sollten Inhalt und Botschaft die Form bestimmen. Warum ich als langjährige Rhetorik-Regisseurin der Meinung bin, dass langsam sprechen dennoch grundsätzlich besser ist als schnell sprechen, erkläre ich in diesem Blogartikel.

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1. Grund: Akustische und inhaltliche Verständlichkeit

Als Rednerin oder Redner ist es deine Verantwortung, möglichst alle mitzunehmen. Das Publikum hört deine Ausführungen zum ersten Mal. Anders als bei einem schriftlichen Text kann es nicht zurückblättern oder -scrollen, wenn etwas zu schnell oder unverständlich war. Es ist darauf angewiesen, dass du ihm ein wenig Zeit zur Aufnahme der Inhalte zur Verfügung stellst. 

Denn die Aufmerksamkeit der Zuhörenden ist leicht abgelenkt: „Hat sie jetzt „Prävention“ gesagt oder „Intervention“? Das hätte ich eigentlich hören sollen, aber es ging so schnell und neben mir wurde gehustet und jetzt weiß ich nicht…“ und schon hat diese Person zwei, drei ganze Sätze verpasst und möglicherweise Schwierigkeiten, wieder einzusteigen.

Komplexe Inhalte, fachfremdes Publikum

Als Redner*in gibst du allen im Raum den Takt vor. Insbesondere komplexe Inhalte verlangen nach einem ruhigen Tempo. Ist das Publikum darüber hinaus fachfremd, kann ein Text kaum langsam genug gesprochen werden. Die Zuhörenden haben unterschiedliche Voraussetzungen, Erfahrungen, Kenntnisse und wenn man der Aufmerksamkeit des Publikums gewiss sein möchte, ist es wichtig, alle mit ins Boot zu holen. 

2. Grund: Die Atmung 

Wenn du langsam sprichst, hast du eine bessere Kontrolle über deine Atmung. Du spürst, wann du ein- und wann du ausatmen musst und kannst am Ende eines Satzes zuviel eingeatmete Luft abatmen. Das führt dazu, dass du im Einklang mit dir und deiner Atmung bist und die Atmung deinen Auftritt unterstützt. 

Beim schnellen Sprechen kann es passieren, dass Redner*innen die Luft ausgeht, sie plötzlich Schnappatmung kriegen oder ihre Atmung durcheinander gerät. Das äußert sich z. B. darin, dass sie am Ende eines kurzen Vortrags außer Atem sind, als hätten sie einen Sprint hinter sich. Da wir auf der Bühne die Kontrolle über unsere Sprechweise behalten wollen, ist so ein „außer-Atem-sein“ nicht dienlich. Versuche einmal, hundert Meter zu sprinten und im direkten Anschluss daran eine überzeugende Botschaft zu vermitteln. Das wird schwierig. 

Atem und Stimme hängen zusammen

Dazu kommt, dass die Atmung die Voraussetzung für die optimale Nutzung der Stimme ist. Soll die Stimme klar, kräftig und selbstbewusst klingen, muss die Atmung fließen können. Nur so können Atem und Stimme zusammen funktionieren und wir können nicht nur 10 Minuten, sondern sogar, wie jüngst in den USA geschehen, 25 Stunden am Stück reden.

Mehr zum Thema Atmen beim Präsentieren findest du In meinem Blogartikel „Was ist Bauchatmung?“ 

3. Grund: Pausen verstärken die Botschaft

Wer auf der Bühne bei hohem Tempo durchgängig spricht, kann nur hier und da mal kurz nach Luft schnappen. Eine längere Pause würde in diesem Szenario unnatürlich oder sogar wie ein Blackout wirken. Pausen unterschiedlicher Länge – kurze, nach normalen Sätzen, lange nach größeren Sinnzusammenhängen – kann nur machen, wer ruhig und gelassen spricht.

Eine lange, ununterbrochene Rede kann dazu führen, dass das Publikum abschweift und nur weit, weit im Hintergrund eine Stimme weiterreden hört. 

Pausen sorgen für Rhythmus, für Abwechslung, für Spannung. Darum sind Pausen in einer Präsentation erstrebenswert.  Sie geben uns Gelegenheit zu atmen. Pausen sorgen auch dafür, dass die Rednerin oder der Redner sich sicherer fühlen kann, dass sie sich sammeln und die Gedanken ordnen können. Nach einer kurzen Pause kann man dann flüssig fortfahren.

Eine Pause betont das Wesentliche

Im Schriftlichen stehen uns verschiedene Mittel zur Verfügung, um etwas hervorzuheben. Wir können eine Überschrift kreieren. Wir können etwas fetten. Wir können es farbig markieren. Im mündlichen Beitrag haben wir (unter anderem) die Pause. Sie kann wesentliche Inhalte betonen. Eine Pause vor oder nach unserer Botschaft wirkt wie ein extra Lichtkegel, hebt das Gesagte hervor, stellt es aus. Das Publikum wird die so vorgetragene Botschaft leicht erinnern können. Auf diese Weise steigern Pausen Qualität und Effektivität eines Vortrags.

4. Grund: Zeit für Reflektion

Wenn wir langsam sprechen, geben wir unserer Zuhörerschaft die Gelegenheit, unsere Botschaft zu verstehen und zu verarbeiten. Denn in unseren Zuhörern geht eine Menge vor sich. Vieles erleben sie zum ersten Mal: Sie betrachten uns auf der Bühne und versuchen uns einzuordnen. Was ist das für jemand? Welche Kleidung trägt sie? Wie klingt ihre Stimme?

Die Aufmerksamkeit des Publikums ist gefordert

Vielleicht kennen sie den Ort noch nicht und betrachten den schönen Stuck oder die herrliche Aussicht. Lesende Menschen können sich ganz auf den geschriebenen Text fokussieren, Zuhörer*innen hingegen sind vielerlei Ablenkungen ausgesetzt. Dazu kommt, dass wir vielleicht nicht den einzigen Vortrag des Tages halten, sondern eingebettet in eine Armada von Präsentationen nur einen kleinen Teil des Programms gestalten. Vor uns wurden bereits jede Menge Worte gesprochen und nach uns wird es so weitergehen. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist da sehr gefordert. Wir wollen es unseren Zuschauer*innen leicht machen, unsere Botschaft unter all diesen Wortbeiträgen wahrzunehmen, zu reflektieren und zu erinnern.

Interesse wecken

Langsam sprechen fördert nicht nur das Verständnis und die Behaltensleistung, sondern auch  das Interesse an unseren Inhalten. Nur eine Zuschauerin oder ein Zuschauer, deren Interesse wir geweckt haben, kann im Anschluss an die unsere Präsentation den Kontakt zu uns suchen und uns z. B. eine Kooperation anbieten.

5. Grund: Verbindung zum Publikum

Eine Verbindung zu Menschen herzustellen, ist immer auch eine Frage der Zeit. Langsames Sprechen vermittelt dem Publikum; da nimmt sich jemand Zeit. Zeit, um mir etwas zu erklären, mir Argumente zu liefern, mich zu überzeugen. Langsames Sprechen lädt zum Reflektieren ein und kann den Raum für Fragen, Anmerkungen oder Ideen öffnen. So entsteht Verbindung.

…und Verbindung mit sich selbst

Doch auch die Verbindung zu sich selbst ist für Redner*innen ein wichtiges Thema. Im Coaching höre ich immer wieder: „Ich verliere den Kontakt zu mir selbst, wenn ich vor Publikum rede“. Wenn wir uns klarmachen, was unser Gehirn alles gleichzeitig leistet, wenn wir einen Vortrag halten, dann wird deutlich, dass schnelles Sprechen uns an den Rand des Leistbaren bringt. Wir sind nervös, wir versuchen uns zu konzentrieren, es gibt technische Probleme, Herr Müller ist noch nicht da, das Fenster lässt sich nicht öffnen, es sind mehr (oder weniger) Menschen gekommen, als erwartet, nebenan ist eine laute Baustelle, etc. Dazu kommen körperliche Wahrnehmungen: Werde ich rot? Zittert meine Stimme? Warum atme ich schon wieder ein, habe ich das nicht eben erst getan? Meine Stimme klingt seltsam über das Mikrofon! Und so weiter und sofort. Zu all diesem Rauschen sprechen wir jetzt noch so schnell, dass unser Denken kaum hinterher kommt. Ist es verwunderlich, wenn wir den Faden verlieren, uns verzetteln oder gar einen Blackout haben? Nein, ist es nicht.

Langsames Sprechen hilft beim Denken während des Sprechens. Die dadurch möglichen Pausen stärken unsere Fähigkeit, in Verbindung mit uns selbst und dem Publikum zu bleiben. Langsames Sprechen entlastet das Gehirn – wie auch die Gehirne unserer Zuschauerschaft.

Fazit

Effektiv ist eine Präsentation vor Publikum, wenn sie nachhaltig, verständlich und überzeugend ist. Nur dann kann sie für das Erreichen der Ziele, für den Zusammenhalt im Team, für die Motivation der Unterstützer*innen sorgen. 

Langsames Sprechen hat gegenüber dem schnellen Sprechen viele Vorteile. Fünf davon habe ich in diesem Text beleuchtet. Langsames Sprechen kann emotionale Inhalte verstärken und die Wirkung der Botschaft intensivieren. Vor allem aber garantiert es Nachhaltigkeit, Verständlichkeit und Überzeugungskraft. Damit, davon bin ich überzeugt, ist langsames Sprechen ein Schlüsselfaktor für Effektivität. 

Kann man langsam(er) sprechen lernen?

Wer häufig hört: „Du sprichst immer sehr schnell“, für den könnte es hilfreich sein, sich mit dem eigenen Sprechtempo und den zugrunde liegenden Aspekten, Glaubenssätzen oder Ängsten zu befassen. Das Sprechtempo kontrollieren zu können ist eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Vortrag. 

Kann man langsam(er) sprechen lernen? Die Antwort ist kurz und klar: ja, das kann man. Und obwohl viele Menschen jahrelang als Schnellsprecher durchs Leben gegangen sind, dauert es oft nicht lange, den „Dampf“ rauszunehmen und das Tempo zu drosseln. In meinen Coachings geht es immer wieder um dieses Thema und ich sehe jedesmal die großen Fortschritte, die Menschen machen, sobald sie die zugrundeliegende Problematik verstehen.

Übung für langsames Sprechen

Stelle dir eine Redesituation vor, z. B., dass du dich an einem neuen Arbeitsplatz den Mitarbeitenden vorstellst. Du hast ca. 30 Sekunden Zeit dafür. Gehe nun am Ende jeden Satzes mit der Stimme runter. Wenn dir das schwerfällt, kannst du dein Kinn ebenfalls absenken (so, wie die Stimme). Vielleicht stellst du fest, dass du immer schon weitergaloppieren willst mit deinen Inhalten und es kaum eine Möglichkeit für eine Pause (oder das Absenken der Stimme) gibt. Sprechmuster sind Gewohnheiten und wenn du anfängst, dich damit zu beschäftigen, wirst du schnell Fortschritte wahrnehmen. Bleib dran und übe, das Sprechtempo dem Anlass und der Situation gemäß anzupassen – und dich nicht von deinem innerlichen Tempo treiben zu lassen. 

Tipp: Nimm dich beim Üben mit der Diktierfunktion des Smartphones auf. So kannst du deine Fortschritte objektiv überprüfen.

Fun fact über langsames Sprechen

In meinen Gruppen-Workshop kam eine 72-jährige Schweizerin, die seit vielen Jahren in Berlin lebte. Sie sei gekommen, um endlich schneller sprechen zu lernen, denn als Schweizerin habe sie das dort übliche gemächliche Redetempo und damit, so vermutete sie, falle sie in Berlin unangenehm auf. 

Am Ende des Workshops zum Thema „Reden vor Publikum“ und nachdem wir unzähligen Vorträgen gelauscht hatten, sagten ausnahmslos alle Teilnehmer*innen, dass es so angenehm sei, die Schweizerin vortragen zu hören, weil man ihr gut folgen könne. Sie wurde zum Vorbild für die ganze Gruppe!

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