Die Stimme – dein unverwechselbarer Klang

Wir nutzen sie jeden Tag und sie ist eines unserer wichtigsten Kommunikationsmittel. Sie vermittelt nicht nur Informationen, sondern auch unseren emotionalen Zustand: Die Stimme.

Eine gute Freundin sagt am Telefon nur „Hallo“ und wir hören am Klang ihrer Stimme, ob das Bewerbungsgespräch oder das Date gut gelaufen ist. Man sagt, die Stimme sei ein Fenster zur Seele. Dieses Fenster zu öffnen und sich mit der Stimme und ihren vielen Facetten zu beschäftigen, macht Spaß, stärkt unsere kommunikativen Fähigkeiten und nicht zuletzt profitiert auch unser Selbstbewusstsein, wenn wir mit unserer Stimme im Einklang sind.

Stimmt das noch?

In vielen Bereichen unseres Lebens haben wir uns Muster angewöhnt, die uns den Alltag erleichtern sollen. Wir denken nicht darüber nach, sondern nutzen immer wieder eine einmal entwickelte Vorgehensweise. Ich merke das z. B., wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Ich beginne meine Fahrt Richtung Innenstadt, die ersten hundert Meter sind immer gleich, egal, wohin ich will. Plötzlich stehe ich an einer Kreuzung und stelle fest: hier wollte ich gar nicht hin! Ich bin einfach aus Gewohnheit Richtung Studio gefahren, obwohl ich ganz woanders hin wollte. Der Autopilot hat sich eingeschaltet und die Wegführung übernommen. Ein im wahrsten Sinne des Wortes eingefahrenes Muster hat sich gegenüber einer aktuelleren Information durchgesetzt. Jetzt heißt es umkehren und die richtige Abzweigung erwischen.

Die Stimme begleitet uns unser Leben lang. Wir haben Laufen gelernt, wir haben Sprechen gelernt, wir waren in vielen Bereichen unseres Lebens über lange Zeit Anfänger*innen. Die Stimme lief während all dieser großen Veränderungen einfach mit. 

Sprecherin im Studio vor Mikrofon
Im Studio dürfen mir alte (Stimm-)Muster nicht im Weg stehen

Alte Muster prägen

Vielleicht wollten wir in einer bestimmten Phase nicht gehört werden und haben uns angewöhnt, leise zu sprechen. Oder wir mochten in der Pubertät die Aufmerksamkeit nicht auf uns lenken, deswegen haben wir monoton gesprochen und gehofft, dass alle weghören. Oder wir fühlten uns unsicher, weswegen wir den Mund beim Sprechen kaum geöffnet und durch die Zähne genuschelt haben. Die Gründe sind unterschiedlich, aber die Auswirkungen ähneln sich. Diese Muster treten häufig dann wieder zutage, wenn wir nervös sind. So, wie der Autopilot bei meiner Fahrradfahrt. In unserem täglichen Leben haben wir es uns im Rahmen des Erwachsenwerdens längst abgewöhnt, mit dieser hohen Mädchenstimme zu sprechen, doch wenn wir aufgeregt sind, wenn es um etwas Wichtiges geht, wenn wir uns von unserer besten Seite zeigen wollen, dann ist sie plötzlich wieder da, diese Stimme von früher, und mit ihr bricht sich vielleicht auch die alte Unsicherheit wieder Bahn.

Wie einen ausrangierten Rucksack schleppen wir manchmal ein altes Muster mit uns herum, obwohl es mit unserer jetzigen Persönlichkeit, unserer Position und unserer Selbstwahrnehmung nicht mehr überein stimmt. 

„Stimmig sein“ stärkt

Ob im Yoga, im Kampfsport oder beim Singen – wenn wir uns mit der Stimme verbinden, verbinden wir uns mit unserer Energie. Schon vor Jahrhunderten wurde diese Energie genutzt, um z. B. schwere Feldarbeit erträglicher zu machen.

Mit dieser Energie in Kontakt zu treten, mit dem eigenen Klang zu experimentieren und sich neue Klangräume zu eröffnen, ist eine Bereicherung. Zu entdecken, wo es „stimmig“ ist, stärkt das Selbstbewusstsein und den Auftritt. Wer mit der Stimme sein Publikum erreichen will, sei es bei Vorträgen, Lesungen, Performances oder Gesprächen, der wird von der Beschäftigung mit der Stimme profitieren. 

Kann man die Stimme verändern?

Ja, man kann die Stimme verändern. Sie kann wachsen, reifen, beweglicher, angebundener und lebendiger werden, sie kann Spaß machen, sie kann abwechslungsreich sein. Es geht nicht darum, höher oder tiefer zu sprechen, weil irgendwer behauptet, höhere Stimmen wären sexy oder tiefere Stimmen würden Autorität ausdrücken, sondern es geht darum, das Potential, das in einem selbst verborgen liegt und bisher (vielleicht) noch nicht voll zum Ausdruck kam, kennenzulernen und zu erleben.

Moderatorin mit Mikrofon 

Die erfolgreiche Stimme oder…

Was ist eine erfolgreiche Stimme? Das Internet ist voll mit Studienergebnissen (und Behauptungen), die besagen, welche Art von Stimme die höchsten Verkaufszahlen oder die erfolgreichsten Dates generiert. Das entspricht nicht meiner Philosophie. In meinen Workshops geht es nicht darum, ein bestimmtes Ergebnis mit der Stimme zu erzielen, sondern darum, herauszufinden, wie der ganz persönliche Ausdruck sich in der Stimme widerspiegeln kann. 

…eher: Die authentische Stimme

Es geht um die authentische Stimme. Die authentische Stimme ermöglicht es uns, ohne Schmerzen und Heiserkeit vor Publikum zu sprechen, weil wir ganz ohne Anstrengung im Einklang mit uns selbst sind.

Ich begebe mich mit meinen Workshopteilnehmer*innen auf die Reise zu ihren eigenen Möglichkeiten. Das ist heute vielleicht etwas anderes als morgen – und bestimmt etwas anderes, als vor einem Jahr. Genau so arbeite ich auch selbst an mir und meiner Stimme: für jeden neuen Sprech-Auftrag eruiere ich, wo ich stehe, welcher Klang passend ist, was ich ausdrücken möchte und wo ich diesen Ausdruck finden kann. 

In diesem Sinne ist eine Stimme dann erfolgreich, wenn sie die Botschaft der Sprecherin oder des Sprechers transportiert, unterstützt und durch ihre ureigenen Klangräume bereichert. Jede Stimme ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck, und das allein ist doch schon Grund genug, sich mit ihr zu befassen. 

Die Stimme aufwärmen – was bringt das?

Bevor Schauspieler*innen auf die Bühne gehen, wärmen sie ihre Stimme auf. Bevor Sänger*innen auf die Bühne gehen, wärmen sie ihre Stimme auf. Und bevor ich auf die Bühne gehe (oder vor ein Mikrofon), wärme ich meine Stimme auf. Das Aufwärmen bringt mich vor einer aufregenden Situation in Kontakt mit meiner Stimme. Ich stelle fest, wie sie heute „drauf ist“. Ist sie belegt, heiser oder etwas ungelenk? Habe ich eine leichte Erkältung und das merkt man der Stimme an? Ist es früh am Morgen und die Stimme noch gar nicht richtig wach?

Das Aufwärmen der Stimme verfolgt dieselben Ziele wie das Aufwärmen des Körpers vor einem Marathon. Es macht sie geschmeidig, weich, beweglich und…nun ja, warm. Das führt dazu, dass ich sie in ihrem momentanen Zustand einschätzen und sie so besser kontrollieren kann. Und „kontrollieren“ heißt in Bezug auf die Stimme unter Umständen auch: Sie loslassen können, weil man sich sicher mit ihr fühlt.

Das Aufwärmen ermöglicht mir, die Stimme genau so nutzen, wie ich das möchte. Und nicht zuletzt vermindert es, genau wie beim Sport, die Verletzungsgefahr.

Hier kannst du dir mein PDF „Zwei Minuten für die Stimme“ mit 6 kurzen Aufwärmübungen herunterladen.

Deutschlandpremiere von Liv Strömquists Buch
Das winzige Pünktchen im Licht unter dem Pfeil bin ich bei der Lesung „Astrologie“ von Liv Strömquist im ausverkauften SO36 im April 2023

Was bewirken Stimmübungen?

Meine Tipps und Übungen richten sich an Menschen mit gesunder Stimme, die ihr Potential nutzen und erweitern wollen.

Stimmübungen können dir helfen, wenn du

  • nach einer Rede oder einem Vortrag leicht heiser wirst
  • leise sprichst
  • monoton sprichst
  • die Kontrolle über deine Stimme bei Nervosität verlierst
  • wahrnimmst, dass deine Stimme bei Aufregung zittert
  • deine Stimme als wenig energetisch empfindest

Sich selbst aufnehmen

Wenn du dich noch garnicht besonders mit deiner Stimme beschäftigt hast, dann ist es eine gute Möglichkeit, sie aufzunehmen. In meinen Workshops achte ich bei den Stimmübungen sehr genau auf den Klang und gebe, wo nötig, Hilfestellungen. Da das hier wegfällt, schlage ich dir vor, dich selbst aufzunehmen. Vielleicht geht es dir aber wie vielen anderen und du sagst: „Ich mag mich nicht aufnehmen, meine Stimme klingt so fremd!“

Wir selbst hören uns ja in unserem Kopf, und das klingt anders, als wenn wir unsere Stimme „von außen“ hören. Deswegen sind wir manchmal überrascht von ihrem Klang, empfinden ihn als fremd oder lehnen ihn sogar ab.

Mir geht das übrigens immer noch so, wenn ich das Radio anschalte und mich zufälligerweise selbst höre. Es kommt vor, dass ich einen Moment brauche, bis ich verstehe, dass ich das bin, die da spricht. Manchmal denke ich nur: Dieser Text kommt mir irgendwie bekannt vor! 😂

Also, wie dem auch sei. Mein Vorschlag: Nimm dir einen kurzen Text, ein Gedicht, einen Zeitungsartikel oder eine Werbeanzeige. Stelle das Diktiergerät des Handys an und nimm dich selbst auf. 20-30 Sekunden reichen völlig. Du musst es dir nicht sofort anhören, das kann warten, bis du dich bereit dafür fühlst. Hauptsache, du hast eine Ur-Version ohne vorherige Übungen. Dann probiere ein wenig herum. Nimm verschiedene Körperhaltungen ein, gähne. Und dann nimm denselben Text ein, zwei weitere Male auf. 

Wenn du Lust hast, es dir anzuhören: umso besser! Analysiere, was du hörst. Was gefällt dir an deiner Stimme? Wie nimmst du den Klang wahr? Gibt es etwas, das du gerne verändern würdest? Versuche, Worte dafür zu finden (das ist garnicht so einfach).

Kriterien für diese Beschreibung können sein:

  • leise, laut
  • hoch/tief
  • dünn/voll
  • monoton/lebendig betont
  • emotional/sachlich
  • klar/hauchig

Stimme und Atem

Alles hängt mit allem zusammen. Unsere Körperhaltung beeinflusst unsere Atmung, und die Atmung beeinflusst unsere Stimme. Um dieses Phänomen bewusst zu erleben, setz dich in der typischen Schreibtisch-Haltung hin.

Die typische Schreibtisch-Haltung

Was bedeutet Schreibtisch-Haltung? Das ist die Haltung, die wir häufig vor dem Computer-Bildschirm einnehmen, ohne es zu merken. Der Rücken ist krumm, die Schultern hängen nach vorne, der Bauch ist leicht gequetscht. Die Beine sind überschlagen oder stehen eng beieinander. 

Sitze also in der Schreibtisch-Haltung. Schließe die Augen. Bleib in der Haltung und nimm deine Atmung wahr. Atme tief ein und aus. Öffne die Augen. Vergegenwärtige dir, welche Auswirkungen diese Haltung auf deine Atmung und vielleicht sogar auf deine Stimmung hat.

Nun mach die gleiche Übung im Stehen. Schließe die Augen. Bleib in der Haltung und nimm deine Atmung wahr. Atme tief ein und aus. Öffne die Augen. Vergegenwärtige dir, welche Auswirkungen diese Haltung auf Atmung und Stimmung hat.

Wenn es dir so geht, wie meinen Workshopteilnehmer*innen (und mir), dann stellst du einen Unterschied fest. In der sitzenden Haltung hat der Atem wenig Raum sich auszubreiten und muss gegen Widerstände (nämlich die Enge) „anatmen“. Im Stehen hingegen ist mehr Raum vorhanden, das Atmen macht keine Schwierigkeiten. Die aufrechte Haltung sorgt häufig noch dazu für eine offenere, heitere Stimmung. Prima, so können wir die Stimme optimal unterstützen!

Illustration von einem Mädchen, das sehr lässig auf Koffern sitzt
In dieser Körperhaltung vor Publikum reden, ist etwas für Fortgeschrittene 😂

Die optimale Körperhaltung beim Sprechen

Professionelle Sprecher*innen können sich nicht immer aussuchen, in welcher Körperhaltung sie ihre Stimme einsetzen wollen. Schauspieler*innen z. B. müssen in allen möglichen Körperhaltungen auf einer Bühne sprechen können. Das trifft in abgeschwächter Form auf nicht-professionelle Sprecher*innen natürlich auch zu. Vielleicht möchtest du vor Publikum aus deinem Roman lesen oder du möchtest beim nächsten Meeting von deinem Sitzplatz aus mit kräftiger Stimme ein Projekt vorstellen. Das ist kein Problem, aber es ist erst der übernächste Schritt. Um das Potential, die Möglichkeiten und die Varianz unserer Stimme zu erleben, bieten wir ihr zunächst optimale Bedingungen.

Es ist wie beim Lernen eines Instrumentes: wir machen Fingerübungen nicht, weil wir beim Konzert Fingerübungen vorspielen wollen, sondern weil sie es uns ermöglichen, Tempo, Rhythmus und die Feinheiten eines Stückes so umzusetzen, wie wir es uns wünschen.

Die Fingerübungen für die Stimme fangen mit dem durchlässigen Körper an. Der Körper ist dann durchlässig, wenn er beweglich sein darf. Das ist barfuß oder mit flachen Schuhen besser möglich als mit hohen Absätzen. Lockere Kleidung gibt Atmung und Bewegung Raum und ist deswegen zum Üben sinnvoller als eine eingeschnürte Körpermitte.

Die Füße stehen hüftbreit auseinander, das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Füße verteilt, die Fußsohlen haben Kontakt zum Boden, die Knie sind leicht gebeugt, die Hüften beweglich. Stell dir vor, ein goldenes Kettchen an deinem Scheitel zieht dich ein wenig nach oben, Richtung Decke (oder Himmel). Wie fühlt sich diese Haltung an? Spüre den Atem.

Körperhaltung Gähnen
Um zu gähnen, muss man nur den Kiefer weit öffnen – schon geht es los.

Gähnen hilft!

Die Stimme kann nur dann klingen, wenn sie ihren Weg aus dem Mund der Sprecherin an das Ohr des Publikums finden kann. Ist dieser Weg versperrt, z. B. durch Zähne, dann beschneidet das den Stimmklang. Ich habe schon viele Vorträge gehört, bei denen die Sprecher*innen den Mund kaum geöffnet haben und deswegen schwer zu verstehen waren. Auch das kann eines der Muster sein, von denen ich oben sprach, die man sich im Laufe seines Lebens angewöhnt hat. Vielleicht wollte man in der Pubertät cool sein, oder man fühlte sich nicht gehört, oder man trug eine Spange, die keiner sehen sollte. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen: wir alle verändern uns und wenn ich vor 10 Jahren vielleicht gar nicht verstanden werden wollte, dann heißt das nicht, dass das jetzt immer noch gilt.

Eine wunderbar simple Übung für die Kieferöffnung ist das Gähnen. Sänger*innen tun es, Schauspieler*innen tun es, also tu du es doch auch, bevor du in einer Redesituation verstanden werden möchtest.

Gähnen bewirkt Entspannung und Lockerung von

  • Rachen- , Kiefer und Kehlkopfmuskulatur
  • Mund und Zunge
  • Nacken- und Schultermuskulatur.

Das Zwerchfell wird durch Gähnen aktiviert, die Atmung vertieft, die Lunge mit Sauerstoff versorgt und der Rachenraum geweitet, außerdem wird der Kreislauf angeregt. 

Sprechen/ reden/ lesen im Sitzen

Auch im Sitzen können wir dem Körper und der Atmung Raum geben. Wir können uns aufrichten, beide Füße auf den Boden stellen und zwischen den Füßen einige Zentimeter Raum lassen.

Wir können die Bauchdecke entspannen und an unser goldenes Kettchen denken, das uns Richtung Himmel zieht.

Eine aufgerichtete Haltung im Sitzen unterstützt die Stimme und ermöglicht es, die nötige Energie für die richtige Lautstärke aufzuwenden.

Sprecherin vor Mikrofon
Sprechen im Sitzen – geht natürlich auch!

Was muss ich beachten?

Grundsätzlich ist sehr vieles möglich mit der Stimme. Wichtig ist, dass der Körper in die Stimmarbeit mit einbezogen und die Stimme aufgewärmt wird. Tun wir das nicht, besteht die Gefahr, am Tag nach einer anspruchsvollen und vielleicht sogar ausdauernden Redesituation heiser zu sein. Wer nicht nur heiser wird, sondern nach einer solchen Begebenheit mal für ein, zwei Tage keine Stimme mehr hat, sollte die Stimme unbedingt besser vorbereiten. Einige Tipps habe ich dir schon gegeben. Du kannst dir auch mein PDF „Zwei Minuten für die Stimme“ herunterladen. In diesem PDF habe ich sechs Übungen zusammengestellt, die du vor jeder Redesituation zum Aufwärmen deiner Stimme anwenden kannst. Viel Spaß dabei!

Natürlich kannst du auch mit mir gemeinsam an deiner Stimme und/oder deinem Auftritt arbeiten. Melde dich einfach bei mir unter info@ninaweniger.de!