Beharrlichkeit

Beharrlichkeit.

Ganz schön „old-school“, dieser Begriff, oder nicht? Beharren, das kann sehr unangenehm sein. Jemand beharrt auf seinem Recht, d. h. er weicht keinen Millimeter ab, ist vermutlich auch nicht gewillt, die andere Seite einmal, und sei es nur in Gedanken, in Betracht zu ziehen. Aber es gibt auch eine andere Seite von Beharrlichkeit: dranbleiben, nicht lockerlassen, ein Ziel verfolgen, auch wenn es schwerfällt. Viele Kursteilnehmer*innen glauben oder wissen von sich selbst, dass „vor anderen Menschen reden“ ihnen nicht leichtfällt. Manche von ihnen haben Erfahrungen gemacht, die diesen Eindruck verstärkten. Und dann sitzen sie eines Tages mit lauter fremden Personen an einem bis dato unbekannten Ort, nämlich dem Seminarort, und sind beharrlich. Sie sind sich ziemlich sicher, dass ihnen das nun folgende Wochenendseminar keinen Spaß machen wird (zum Glück sagen hinterher alle, dass dem nicht so war), und dennoch begeben sie sich freiwillig in diese Stresssituation, von der sie wissen: hier werde ich vor Menschen reden, und vermutlich nicht nur einmal.

Vor dieser Art der Beharrlichkeit ziehe ich meinen Hut. Zu wissen, es wird mühsam, es wird anstrengend (und es wird mein Wochenende sein!), und dennoch zu sagen: „Ich geh das jetzt an!“, das zeugt von Mut und eben…Beharrlichkeit. 

Jede und jeder hat ja solche Themen, von denen man weiß, das fällt mir schwer. Ich z. B. kämpfe immer wieder mit der Technik, mit Emails, mit Social Mediaseiten und ganz allgemein mit meinem Computer. Das, was vielen anderen logisch und selbstverständlich erscheint, erschließt sich mir oft erst nach ausdauernder Beschäftigung damit. 

Macht mir das Spaß? Nein, ich würde lieber ein Buch lesen, spazieren gehen oder Musik machen. 

Halte ich es für unerlässlich, das Problem eines Tages selbst lösen zu können? Ja, das tue ich. Ich möchte mich nicht immer wieder drum herumdrücken, wie ich es viel zu lange getan habe. Ich weiß, es wird mich viel Zeit kosten und ich weiß, es wird niemals mein Hobby werden, aber ich weiß auch: wenn ich dranbleibe, kriege ich es eines Tages hin. 

Und obwohl ich diesen Schritt der Beharrlichkeit am liebsten überspringen würde und schon, hopps, am anderen Ufer gelandet sein möchte, dem Ufer des Verstehens und selbst-machen-könnens, habe ich mittlerweile verstanden, dass es keine Abkürzungen gibt. Natürlich kann ich mir Hilfe suchen (das tue ich auch in regelmäßigen Abständen, sonst würde es noch länger dauern). Das ändert jedoch nichts daran, dass ich meine gesamte Konzentration auf das aktuelle Problem fokussieren muss, will ich es lösen. Es führt kein Weg daran vorbei, wenn ich es selbst in die Hände nehmen möchte, wenn ich es, wie es im Englischen so toll ausgedrückt werden kann, „ownen“ möchte, also mein Problem und seine Lösung „in Besitz nehmen“, als mein Eigenes annehmen. 

Jeden Morgen erhalte ich einen philosophischen Newsletter mit einem kleinen Zitat. Manchmal sagt mir das Zitat nichts und ich kümmere mich nicht weiter darum. Manchmal, so wie heute, regt es mich zum Nachdenken an. Es war: „Was unklar ist, muss man klären, was schwer zu vollbringen ist, soll man mit größter Beharrlichkeit durchsetzen“ (Dr. Kitzler: „Worte der Weisheit“). 

Der Satz erinnert mich auch an die Teilnehmer*innen meines letzten Online-Kurses. Wir sprachen über das Thema Üben. Ich erzählte ihnen, wie oft ich als professionelle Sprecherin meine Texte übe. Sie waren bass erstaunt (auch so ein schönes altmodisches Wort, oder?). Was? Mehrmals am Tag? Wie kann das sein? Du bist doch Profi! Ja, genau, ich bin Profi, und genau deswegen bereite ich mich akribisch vor, bevor ich ins Studio gehe, wo ein Haufen anderer Profis sitzen, die ihre Arbeit ebenso gründlich vorbereitet haben. Sollen diese hochbezahlten Fachkräfte dasitzen und mir zuhören, wie ich mich verspreche? Ganz sicher nicht. Ohnehin werde ich mich hin und wieder versprechen, das passiert einfach, das gehört dazu. Aber das passiert dann, obwohl ich mich akribisch vorbereitet habe und nicht, weil ich schlecht vorbereitet wäre. 

Beharrlichkeit, üben, sich mit einer Sache immer wieder beschäftigen und auseinandersetzen, gerade wenn es schwerfällt, das ist der Weg hin zu Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Es hört sich vielleicht paradox an, doch wer schon mal Ballett getanzt hat weiß, wieviel harte Arbeit nötig ist, um lächelnd über die Bühne zu schweben, als wäre man dafür geboren.