Dialekt vor Publikum: Gut oder schlecht?

Dialekt zu sprechen ist kein Zeichen von Unbildung oder Provinzialität. Wir sollten uns vielmehr daran erfreuen, wie reich an Variationen die Sprache ist und wie viele lokale Eigenheiten sich über die Jahrhunderte entwickelt haben. Zusätzlich zu einem Dialekt auch die Hochsprache sprechen zu können, erweitert dennoch oftmals die eigenen Möglichkeiten. Wer Spaß an Sprache hat, wird sich gern damit befassen. 

Mein „Dialekt“

Ich selbst bin in Frankfurt am Main aufgewachsen, habe aber, als Kind von zwei Schauspielern, nie wirklich Dialekt gesprochen. Dennoch habe ich kein „sauberes Hochdeutsch“ gesprochen, sondern Endungen verschliffen und Konsonanten ausgetauscht. Auf der Schauspielschule wurde ich dann darauf hingewiesen, dass es nicht „isch“ heißt, sondern „ich“, nicht „Kirsche“, „plöd“ oder „lustik“, sondern „Kirche“, „blöd“ und „lustig“. 

Ich habe in Hannover studiert und entgegen der landläufigen Meinung, dort werde „reines Hochdeutsch“ gesprochen, stellte ich schnell fest, dass es auch dort sprachliche Eigenheiten gibt. Sie sind dezenter als andere Dialekte, aber ich erinnere mich z. B. an eine Einladung zu einer „Garchtenparchty“.

Wie definiert man Dialekt?

Ein Dialekt oder eine Mundart ist eine Variante einer Sprache, die in einem bestimmten geografischen Gebiet gesprochen wird. Dialekte unterscheiden sich von der Standardsprache oder Schriftsprache durch Aussprache, Grammatik, Syntax und Wortschatz. Dialekte werden in unterschiedlichen Graden gesprochen, von leichtem Verschleifen einzelner Konsonanten bis hin zu einer eigenständigen Sprache.

Du willst tiefer ins Thema eintauchen? Dann ist dieser Wikipedia-Artikel interessant für dich.

Der Skandinavische versus der Deutsche Weg 

Als (schauspielernde) Skandinavistin spreche ich fließend Schwedisch und habe eine zeitlang in Stockholm gelebt. Mir fiel dort auf, dass im schwedischen Fernsehen Dialekte mit größerer Selbstverständlichkeit genutzt werden als bei uns in Deutschland. Nachrichtensprecherinnen und Moderatoren sprechen teilweise in ihren heimatlichen Dialekten. Noch deutlicher habe ich das in Norwegen erlebt, wo stark dialektsprechende Menschen in den Medien völlig normal sind. Als Fremdsprachlerin sind diese Dialekte zwar manchmal schwerer zu verstehen, aber die Repräsentation der Dialekte führt zu einer größeren Akzeptanz und einer Nivellierung der Rangunterschiede zwischen Hochsprache und Dialekt. Mit anderen Worten: Die Hochsprache ist in Schweden und Norwegen nicht automatisch mit einem höheren Status versehen. In Deutschland haben sich diese Statusunterschiede meiner Wahrnehmung nach in den letzten Jahrzehnten verringert, ganz verschwunden sind sie jedoch nicht.*

Hier habe ich für diesen Artikel zum skandinavischen Weg unter anderem recherchiert: Schwedisches Institut für Sprache: Dialekte. Und hier habe ich einige Infos zu deutschen Dialekten gefunden: Dialekt-Interview mit Stephan Elspaß auf der Seite des Auswärtigen Amtes.

Dialekt – wie will ich damit umgehen?

Die erste Frage ist nicht, ob ich mir meinen Dialekt abtrainieren sollte, sondern die erste Frage ist: Was will ich?

Es ist völlig legitim zu sagen, ich fühle mich in meinem Dialekt wohl und möchte ihn garnicht verändern. In manchen Branchen mag das ungewöhnlich und unterrepräsentiert sein, aber davon muss man sich ja nicht beeindrucken lassen.

Als Schauspielerin jedoch, und in vielen anderen Berufsfeldern, ist es schwierig bis undenkbar, ausschließlich Dialekt sprechen zu können. 

Schadet Dialekt einer öffentlichen Person?

In der Politik, in der Musikbranche und in Mundart-Serien werden Dialekte bewusst eingesetzt. Es gibt Menschen, die privat viel „hochdeutscher“ sprechen als beruflich. Sie wollen mit dem Dialekt vermitteln: Ich bin eine von euch, ich kenne mich im Leben der „einfachen Leute“ aus, ich bin bodenständig geblieben. Es kommt also, wie so oft im Leben, auf die Botschaft an, die vermittelt werden soll. Sie entscheidet darüber, ob ein Dialekt als hinderlich oder als Glaubwürdigkeitsbooster wahrgenommen wird.

Dialekt behalten

Will ich in meinem Geburtsort wohnen bleiben, mir dort einen Buchladen einrichten und hin und wieder eine Lesung moderieren? Dann spricht absolut nichts gegen den Dialekt, im Gegenteil. Das Zielpublikum, in diesem Fall die Menschen, die in der Region leben, wird sich von der Buchhändlerin verstanden und in ihrem Laden wohl fühlen.

Dialekt modifizieren

Will ich Kund*innen in meiner Umgebung finden, auf regionalen Messen Vorträge halten oder in der Erwachsenenbildung Kurse geben, dann ist es vielleicht nicht verkehrt, den Grad des eigenen Dialektes zu überprüfen. Spätestens wenn das Publikum bestimmte Worte nicht kennt und ratlos das Handy zur Übersetzung hinzuzieht, wird klar: Für diesen erweiterten Kreis wäre es hilfreich, sich sprachlich dem Hochdeutschen etwas mehr anzunähern.

Dialekt abtrainieren

Will ich jedoch ein nationales oder DACH**-Publikum erreichen, will ich, dass nicht jeder sofort hört, aus welcher Region ich komme, oder identifiziere ich mich vielleicht nicht mehr so sehr mit meinem Dialekt, dann ist es eine gute Möglichkeit, zusätzlich zum Dialekt die Standardsprache zu erlernen und zu trainieren. 

Die gute Nachricht: Der Dialekt geht dabei nicht verloren – es sei denn, man pflegt ihn nicht mehr. Deswegen ist „abtrainieren“ auch nicht der richtige Begriff. Wenn wir Englisch lernen, vergessen wir dadurch ja schließlich auch nicht das Deutsche – es sei denn, wir sprechen jahrelang nur noch Englisch. Wir haben einfach eine zusätzliche Möglichkeit, Sprache zu nutzen. Je nach Situation kann ich entscheiden, welcher Sprache ich mich bediene.

Neu hören: Welche Gewohnheiten haben sich eingeschliffen?

Viele Schauspieler*innen sprechen zu Beginn der Schauspielschule Dialekt. Mithilfe von Sprechunterricht trainieren sie sich das in den folgenden vier Jahren ab. So lange muss es nicht dauern, schließlich müssen die Wenigsten von uns ein reines Bühnen-Hochdeutsch sprechen. Dennoch sollte man bereit sein, ein bisschen Zeit zu investieren. Alte Gewohnheiten legt man nicht an zwei Tagen ab. Diese Gewohnheiten wahrzunehmen, sie mit der Hochsprache abzugleichen und dann die entsprechende hochdeutsche Aussprache zu lernen und zu üben, braucht Zeit, Neugierde und Hingabe. Der Lohn der Mühe ist nicht nur eine weitere Kompetenz, sondern auch ein forschender Blick, oder eher ein forschendes Ohr bezüglich der Eigenheiten des eigenen Sprechens.

3 Tipps, um Hochdeutsch zu üben

  1. Nimm dich mit dem Smartphone auf. Am besten nimmst du einen Text, von dem du eine Hörversion zur Verfügung hast. Vergleiche nun deine Aufnahme mit der professionell Gesprochenen. Welche Worte klingen anders, welche Endungen, welche Konsonanten oder Vokale?
  2. Schreibe dir diese Worte auf. Was fällt dir auf? Sicherlich findest du Muster, wie z. B. „P wird wie B gesprochen“. 
  3. Nimm dir ein Buch mit Sprechübungen und suche die für dich passenden Übungen heraus. In diesem Fall also Texte mit vielen B und P im Wechsel.

Meine 3 Lieblings-Dialekt-Worte

wunderfitzig = neugierig (Alemannisch)

Bobbele = kleines Kind (Frankfurterisch)

Keule = Kumpel (Berlinerisch)

Entscheidend sind Zielgruppe und Botschaft

Ob ich meinen Dialekt nutzen oder loswerden möchte, hängt von meinem Umfeld, meiner Zielsetzung und meiner Reichweite ab.

Die wirklich entscheidenden Faktoren sind meine Botschaft und mein Zielpublikum. Durch sie entscheidet sich, ob ein Dialekt eher ungünstig oder nützlich für mein Anliegen ist. Traditionell haben sich Sprecher*innen der Standardsprache Dialektsprechenden überlegen gefühlt und das auch häufig deutlich gezeigt. Diese Zeiten sollten vorbei sein. Wir sollten beides, Standardsprache und Dialekt, nebeneinander bestehen lassen und respektieren. Das ist dann letztlich viel wichtiger als die „richtige“ Sprache.

Mit mir arbeiten

Wenn du mit mir an deiner Aussprache arbeiten möchtest, dann schreibe mir gerne eine Email an info@ninaweniger.de oder buche ein kostenloses Kennenlerngespräch mit mir. Gemeinsam finden wir heraus, was du an deiner Sprache verändern möchtest und wie das ganz einfach gelingt, ohne an Authentizität zu verlieren.

Natürlich kannst du auch mein Einzelcoaching „Authentisch Präsentieren!“ buchen und wir legen dann dabei den Fokus auf deine Aussprache.

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*Ich schreibe hier „der skandinavische Weg“, beziehe mich aber nur auf Schweden und Norwegen. Das liegt daran, dass in Dänemark und Island eine relativ einheitliche Sprache gesprochen wird. Nur auf den Färöern gibt es ebenfalls viele Dialekte, aber das übersteigt meine Expertise…

** Deutschland, Österreich, Schweiz