Hände im Rampenlicht: Wohin mit den Händen beim Präsentieren?

Hände mit Leuchtmittel
Hände und Rampenlicht 😉

Im Alltag denken wir nicht über sie nach, doch auf der Bühne vor Publikum kann es passieren, dass sie sich plötzlich in den Fokus drängen: die Hände. Und stehen sie erstmal im Mittelpunkt unserer Wahrnehmung, fällt es schwer, sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die eigentlich die Hauptrolle spielen sollten: das Ankommen im Hier und Jetzt, der Kontakt zum Publikum, und unsere Inhalte.

Die Hände als Kommunikationsmittel

Im Alltag klappt doch alles. Wir nutzen die Hände ganz selbstverständlich beim Sprechen, ohne darüber nachzudenken: Wir stellen mit den Händen die Größe von etwas nach, eine Entfernung oder übersetzen Emotionen in Gestik. 

Und genau diesen Zustand wollen wir auch beim Präsentieren vor Publikum etablieren – egal, ob wir vor fünf, fünfzig oder fünfhundert Menschen sprechen.

Eine der am häufigsten gestellte Frage in meinen Workshops ist die nach den Händen. Wohin damit während des Präsentierens? Gestikulieren sie ziellos herum oder hängen sie am Körper herab wie die leeren Ärmel eines Pullovers? 

In jedem Fall ist das Verhältnis zu den Händen bei vielen Workshopteilnehmer*innen davon geprägt, dass sie sich beim Präsentieren bewusst über ihre Hände sind, sie als störend empfinden und sie am liebsten verstecken und erst nach der Präsentation wieder hervorholen würden. Doch damit würden sie auf ein zentrales Kommunikationsmittel verzichten. Das wäre schade, denn eine Gestik, die mit der Persönlichkeit der Sprecherin und mit ihrem Anliegen kongruent ist, beeindruckt das Publikum und unterstützt die Botschaft.

Nervosität und Hände

Der Umgang mit den Händen hängt unter anderem mit der Nervosität zusammen. Viele Menschen empfinden das Präsentieren vor Publikum als so stressbeladen, dass sie nahezu erstarren. In der Psychologie nennt man diesen Zustand „Freeze“ und er erinnert ein bisschen an das Spiel „Stop-Tanz“ aus Kinderzeiten. Beim „Stop-Tanz“ musste man beim Tanzen in der Position verharren, in der man sich gerade befand, wenn die Musik ausgeschaltet wurde. Beim Präsentieren geht der Körper von selbst in diesen Modus, wenn der Stress zu groß wird. Es ist, als würde der Körper sagen wollen „Ich bin garnicht da“.

Wer eine lebendigere Gestik entwickeln möchte, aber unter starker Nervosität leidet, tut gut daran, sich auch mit diesem Aspekt des Präsentierens zu beschäftigen. Hier geht es zu meinem Artikel „Lampenfieber, Nervosität & Co.“, in dem ich über die verschiedenen Arten von Nervosität berichte und zeige, wie man seine Nervosität in den Griff bekommen kann.

Die große Geste

Sehr viele Teilnehmer*innen fürchten, beim Präsentieren ihres Vortrags angeberisch zu wirken. Ich habe immer nachgefragt, was genau damit gemeint ist. Die Antworten ähneln sich in allen Workshops, seien sie nun für Künstler*innen, Autor*innen, Studierende oder für die Mitarbeiter*innen großer Unternehmen. „Angeberisch Präsentieren“, damit meinen die Teilnehmer*innen, mit großen Gesten, großen Worten und großen Versprechungen die eigenen Inhalte voranzutreiben, koste es, was es wolle. Wer „Angeberisch präsentiert“ ignoriert das Publikum, walzt über seine Bedürfnisse hinweg, will es überreden und zu einer Handlung (z. B. einem Kauf) drängen. Einwände werden heruntergespielt oder ganz überhört.

Häufig höre ich den Satz „Ich will nicht so marktschreierisch rüberkommen.“ Es spricht absolut nichts gegen Marktschreier, aber ihr Job findet in einem ganz bestimmten Umfeld statt, nämlich auf einem Markt, wo sie die Konkurrenz und den Alltagslärm übertönen und Vorübergehende in wenigen Sekunden auf sich aufmerksam machen müssen. Die Situation beim Präsentieren im beruflichen Umfeld ist eine völlig andere: Wir wollen unsere Kompetenz und Glaubwürdigkeit zeigen und unser Publikum sowohl mit Argumenten als auch mit unserem souveränen Auftritt überzeugen. 

Bloß nicht angeben!

Die Sorge, vor dem Publikum “marktschreierisch” zu wirken, führt oft zu einer unbewegten Körperhaltung, zu dem oben beschriebenen “Freeze”. Die Hände werden so platziert, dass sie während des Vortrags unsichtbar bleiben. Die typischsten drei Hand-Haltungen sind:

  • Die Hände werden auf dem Rücken verschränkt.
  • Die Hände werden tief in die Hosentaschen gesteckt.
  • Die Hände werden vor dem Körper verschränkt, entweder vor dem unteren Bauch oder auf Brusthöhe (“überkreuzte Arme”).

Zu diesen drei Handhaltungen und ihren Auflösungen habe ich ein Video aufgenommen. Hier kommst zum Video, in dem du erfährst, welche drei Alternativen für eine ausdrucksvolle Gestik hilfreicher sind. 

Darum sollten die Hände sichtbar sein

In vielen Rhetorik-Büchern wird diese Frage, die offenbar schon Generationen von Redner*innen beschäftigte, meist so beantwortet: In alten Zeiten sollte ein Bote oder ein Botschafter seine Hände vorzeigen, damit man sichergehen konnte, dass hinter dem Rücken keine Waffe versteckt gehalten wurde. Ob wir diesen Aspekt tatsächlich so verinnerlicht haben, sozusagen als zutiefst menschliche Erfahrung, sei mal dahingestellt. Überzeugender finde ich die eigene Anschauung: Wie wirkt eine Rednerin, die die Hände während eines 20-minütigen Vortrages hinter dem Rücken versteckt hält? Oder ein Redner, der beide Hände tief in den Hosentaschen versenkt?

Sie wirken reduziert, ihr Ausdruck kann sich nicht vollends entfalten. Wenn wir dagegen einen Menschen reden sehen, der eine lebendige, ausdrucksstarke Gestik verwendet, fühlen wir uns eingeladen, mitgenommen und wir können fast immer den Inhalten besser folgen.

Angst vorm Blackout? Nutze die Hände

All das wäre schon Grund genug, an der eigenen Gestik zu arbeiten, doch Studien zeigen darüber hinaus, dass es der redenden Person leichter fällt, ihre Inhalte zu strukturieren, wenn die Hände mitmachen. Es ist also nicht nur vorteilhaft für unser Publikum, sondern auch vorteilhaft für uns selbst, wenn wir die Hände beim Präsentieren nutzen. Wer einen Blackout fürchtet, sollte sich mit der eigenen Gestik beschäftigen und sich von ihr unterstützen lassen.

Die Hände im Portrait
Die Hände beim Präsentieren für ein Foto – sie kreieren sofort eine bestimmte Atmosphäre

Den Einsatz der Hände trainieren

Oben hatte ich die drei häufigsten Handhaltungen beschrieben, mit denen viele Redner*innen ihre Hände in Schach zu halten suchen. Das Ergebnis sind Hände, die während eines Vortrages unsichtbar bleiben. Manchmal zucken die Arme und die Schultern rhythmisch mit dem Gesprochenen mit, doch die Hände bleiben auf dem Rücken verschränkt oder in den Hosentaschen verborgen. Damit beraubt sich die Sprecherin oder der Sprecher der einzigartigen Wirkung, die der Einsatz von Gestik mit sich bringt. Die Körperhaltung mit verborgenen Händen ist ein Muster, dass die Redner*innen sich meist angewöhnt haben, um dem leidigen Thema Gestik ein für allemal zu entkommen. Sich von solchen Mustern zu verabschieden, erfordert zunächst ein Erkennen derselben. Im Anschluss daran erfolgt der erste Schritt zur Veränderung. Dieser Schritt sollte nicht allzu groß sein, denn wir wollen unser Gehirn in einer so stressigen Situation, wie es das Präsentieren vor Publikum sein kann, nicht überfordern.

Es muss nicht immer das Gegenteil sein

Die Folge von „halte die Hände nicht in den Hosentaschen“ ist also nicht „mache große weite Gesten als gehörte der Konferenzraum dir“. Nein. Dieser Schritt ist den meisten zu groß und er ist überhaupt nicht nötig. Versuche zunächst, die festen, unbeweglichen Handhaltungen zu öffnen. Mehr nicht.

Die neutrale Grundhaltung

Jede dieser drei Haltungen lässt sich durch eine leichte Anpassung in eine unterstützende Haltung ummodeln. Ich nenne diese unterstützende Haltung „neutrale Grundhaltung“. Sie ermöglicht es, jederzeit eine natürliche Gestik entstehen zu lassen. Sie ermöglicht es aber auch, jederzeit die Hände „ruhigzustellen“, wenn die Gestik überfordert oder gerade nicht passend erscheint. 

Eine neutrale Grundhaltung ist jede Handhaltung, aus der man sich leicht, unaufwendig und schnell befreien und in die man ebenso leicht wieder zurückkehren kann. Die Hände auf dem Rücken zu halten ist keine neutrale Grundhaltung, weil eine große Bewegung erforderlich ist, um die Hände wieder vor den Körper zu bringen. Eine solch große Bewegung bindet die Aufmerksamkeit der redenden Person, so dass sie unter Umständen abgelenkt wird und den Faden verlieren kann. Was wir stattdessen suchen, sind Handhaltungen, aus denen heraus die Hände mit kleinen, unauffälligen Bewegungen ins gestikulieren kommen können. Ist das geschehen und fühlt sich die Rednerin nach und nach wohler, können aus diesen kleinen Gesten größere Gesten entstehen. Alles hängt vom Wohlbefinden der Rednerin ab und ist leicht vor- und zurückzudrehen.

Aus „don`t“ mach „do“

Du machst aus ungünstigen Handhaltungen neutrale Grundhaltungen, indem du den Händen die Möglichkeit bietest, in jedem Augenblick aktiv zu werden. Ich habe zu diesem Thema ein Video aufgenommen. Hier kommst du direkt zum Video. So kannst du auf visueller Ebene wahrnehmen, wie die verschiedenen Handhaltungen wirken und welche kleinen Veränderungen zu mehr Aktivität in den Händen führen.

Nimm die Hände vom Rücken und halte sie stattdessen locker rechts und links am Körper. Nimm die Hände aus den Hosentaschen und hake nur die Daumen in den Taschen ein, die restliche Hand „hängt“ frei. Öffne die verknoteten Hände vor dem unteren Bauch oder die überkreuzten Arme vor der Brust und lege die Hände stattdessen locker ineinander. Auf diese Weise sind die Hände bestens versorgt, du brauchst dir keine Gedanken über sie machen, sie werden nicht einfach so herumgestikulieren. ABER du kannst jederzeit mit ihnen gestikulieren, wenn es sich ergibt.

Einstudierte Gesten wirken unauthentisch

Und das ist genau das Zauberwort: wenn es sich ergibt. Du willst keine festen Gesten einstudieren, wie manche Rhetorik-Profis es behaupten. Denn diese einstudierten Gesten erkennen wir als sensibles Publikum und fühlen uns davon nicht mitgenommen.

Du willst (das ist jedenfalls mein Ansatz) Inhalt und Gestik in Einklang bringen, damit du überzeugend und authentisch wirkst und nicht wie ein gut dressiertes Präsentationsmännchen.

Eine Möglichkeit, deine Gestik zu trainieren und dein Repertoire der Handhaltungen zu erweitern, ist die Improvisation. Der Unterschied zwischen „einstudiert“ und „improvisiert“ liegt auf der Hand 😅. „Einstudiert“ bedeutet, wir haben uns im Vorfeld eine Haltung überlegt, die vielleicht als besonders überzeugend angesehen wird, und üben nun diese Haltung zu unserem Text.

Tanzen ohne Musik

Das ist ein bisschen wie eine Ballerina, die ihre Choreografie ohne Musik übt und dann, wenn alles fertig ist, zum ersten Mal die Musik dazu laufen lässt. Es wird vermutlich etwas hölzern wirken, unorganisch, gestelzt. Und genauso ist es beim Präsentieren.  Wir können (und wollen) nicht jeden Aspekt unseres Vortrags einstudieren, wir werden improvisieren, damit unser Auftritt lebendig, überzeugend und authentisch wirkt. 

Improvisationsübung Gestik

Wenn du deine Gestik gezielt trainieren möchtest, kannst du die folgende Übung ausprobieren. Nimm deinen Vortrag (oder einen Ausschnitt deines Vortrags) mit der Diktierfunktion deines Smartphones auf. Höre dir deine Aufnahme an. Visualisiere dich selbst: Wie möchtest du aussehen, wie möchtest du wirken, wenn du diesen Vortrag hältst? Spiele nun die Aufnahme ab und nutze sie wie ein Schlagersänger als „Playback“. Stehe auf, bewege deinen Mund, ohne die Worte mitzusprechen, und bewege deinen Körper und deine Hände passend zu den Inhalten. Auf diese Weise musst du nicht über den Text nachdenken, dein Gehirn muss sich nicht mit den Inhalten beschäftigen, sondern deine ganze Aufmerksamkeit ist bei deiner Gestik. Fühlt sich komisch an? Alles, was wir zum ersten Mal machen, fühlt sich erstmal komisch an. Lass dich davon nicht abhalten. Oder noch besser: Lach dich zwischendurch ruhig mal kaputt, das lockert den Körper schön durch. Und dann mach die Übung nochmal und schau, was passiert. Nutze die Übung für Improvisationen: Wie würde deine Lieblingsprofessorin gestikulieren? Wie dein Freund? Wie deine Mutter? Wie der angeberische Typ auf Social Media?

Nichts davon wird deine endgültige Gestik sein. Du wirst aber auf dem Weg feststellen, dass es viel mehr Möglichkeiten zum Gestikulieren gibt als gedacht. Und ein wenig von der Freude des Improvisierens wirst du vielleicht in deinen nächsten Vortrag mitnehmen können!

 Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

Mit mir arbeiten…

…kannst du natürlich auch an deiner Gestik. Schreibe mir einfach unter hallo@ninaweniger.de