Sich auf nur drei Werte zu fokussieren, wird dem Thema Werte nicht gerecht. Andererseits machen 26 Werte die Sache auch nicht übersichtlicher. Für mich sind in meiner Arbeit (und im Leben) auch die Werte Freiheit, Unabhängigkeit, Empathie, Gleichberechtigung, Demokratie und viele mehr relevant. Doch wenn ich mich auf drei Werte reduzieren müsste, drei Werte, über die ich mir viele Gedanken gemacht habe, die in meiner Herangehensweise entscheidend sind, dann stehen diese drei ganz vorne auf der Liste: Authentizität, Selbstwirksamkeit und Respekt.

Wert Nr. 1: Authentizität
Seit der Schauspielschule in Hannover, wo ich 1993 meinen Diplom-Abschluss gemacht habe, beschäftige ich mich mit dem Thema Authentizität. Denn meine Auffassung von Schauspiel basiert auf der Idee, das eine Schauspielerin sich in jede Rolle und jede Situation hineindenken und hineinbegeben kann, wenn sie sich intensiv mit den Umständen, der Gedankenwelt, den Beschränkungen einer Figur beschäftigt hat. Es geht nicht darum, etwas vorzumachen, es geht darum, etwas zu durchleben.
Als ich 2012 begann, Workshops zu den Themen Rhetorik, Präsentation und Auftritt zu geben, war für mich klar: diesen Wert möchte ich meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermitteln. Der wahrhaftige Moment der Präsenz ist das, was das Publikum überzeugt. Und wahrhaftig sind wir dann, wenn wir authentisch sind.
Es passiert immer wieder, das ich in meinen Coachings oder Workshops gefragt werde, welche Armhaltung „die Richtige“ sei, oder wie man die Stimme so moduliert, dass sie charismatisch klingt. Ich bin davon überzeugt, dass noch nie eine Armhaltung ein Publikum überzeugt hat und dass eine Stimme so charismatisch klingen kann, wie sie will. Wenn Armhaltung oder Stimme nicht zu der Person passen, die sie einsetzen, wenn sie aufgesetzt oder „fake“ wirken, dann werden wir unser Publikum nicht erreichen.
Kern meiner Arbeit ist es daher, den authentischen Ausdruck der individuellen Person herauszuarbeiten. Die Situation, im Rampenlicht vor einem Publikum zu stehen und zu sprechen, ist nun einmal keine alltägliche Situation. Viele Menschen sind in einem solchen Moment verunsichert und können ihre Kompetenz, ihre Stärke und ihre Persönlichkeit nicht entfalten. Das, was im Privatleben funktioniert, klappt in dieser herausfordernden Situation plötzlich nicht mehr. Im Endeffekt geht es bei meiner Arbeit um den Transfer der ganz selbstverständlichen Authentizität der Privatperson in die Bühnensituation.

Wert Nr. 2: Selbstwirksamkeit
Ich habe mich viele Jahre ehrenamtlich in einer Bürgerinitiative engagiert gegen den Abriss eines noch garnicht so alten Gebäudes. Unser Ziel war es, alle Beteiligten von einer Sanierung zu überzeugen und auf den Abriss zu verzichten. Nach etwa drei Jahren Engagement in Form von Treffen, Briefen, Gesprächen, sah es plötzlich so aus, als könnten wir unser Ziel erreichen. Dieses Gefühl war wunderbar. Ich nenne es Selbstwirksamkeit. Das Gefühl, all die Arbeit, all die Zeit, all die Argumente hätten gefruchtet und das Gute hätte gesiegt (so sahen wir es). Es war ein Gefühl der Euphorie. Man wollte nur noch jubeln.
Dann wendete sich das Blatt, der Abriss wurde beschlossen. Das ist bei (politischen) Projekten nicht selten und es gilt, einen langen Atem zu behalten. Doch Selbstwirksamkeit ist nicht von Erfolg oder Misserfolg abhängig. Man könnte es auch „Engagement“ nennen, und wenn ich mich engagiere, dann ist der Ausgang meines Engagements offen. Ich habe mich aber eingebracht, habe meine Perspektive verdeutlicht, meine Argumente dargelegt und so den Prozess mit beeinflusst. In meinen Coachings erlebe ich oft, dass Menschen erstaunt und beglückt sind, wenn sie in Bezug auf ihre eigenen Auftritte und Präsentationen ihre Selbstwirksamkeit entdecken. „Ach, ich kann das beeinflussen, wie meine Stimme klingt?“, „Ich kann dafür sorgen, dass ich mich wohlfühlen auf der Bühne?“ oder „Ich dachte, ich bin zu schüchtern, aber ich muss sagen…so schlecht ist es garnicht!“ Sie erleben Selbstwirksamkeit, wenn sich Dinge, die ihnen im Weg standen und die sie bisher hingenommen haben, mithilfe von Erklärungen, praktischen Übungen und neuen Gedanken verändern lassen. Ein Gefühl von Euphorie. Ein Gefühl von: „Ich kann offenbar sehr vieles schaffen!“ Selbstwirksamkeit! Eine tolle Sache!


Wert Nr. 3: Respekt
Respekt ist ein geben und nehmen. Ich möchte respektiert werden, genauso, wie ich anderen Respekt entgegen bringe. In meinen Workshops ist es mir wichtig, dass nach dem gemeinsamen Tag alle erhobenen Kopfes nach Hause gehen. Niemand soll denken: „Ach ja, genau wie ich dachte, ich kann das nicht“. Alle Teilnehmer*innen sollen stolz auf sich und ihre Errungenschaften sein. Und sie sollen spüren, dass man ihnen Respekt entgegen bringt für ihren Mut, etwas zu verändern. Respekt dafür, dass sie gekommen sind. Respekt dafür, dass sie sich ihren Ängsten stellen. Respekt dafür, dass sie an ihren Stärken und Schwächen arbeiten.
Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass Respekt sich gut mit Humor zusammenbringen lässt. Wenn wir gemeinsam lachen, wenn wir uns auch mal über uns selbst lustig machen, wenn wir uns zugestehen, beim Ausprobieren auch mal krachend zu scheitern, dann tun sich neue Perspektiven, neue Möglichkeiten, neue Wege auf. In einer Atmosphäre der Angst, davon bin ich überzeugt, kann das nicht gelingen. In einer zugewandten, freundlichen Umgebung, in der alle respektiert werden, gelingt es leicht. Daher, einer meiner drei wichtigsten Werte: Respekt, Respekt, Respekt!