Viele Menschen empfinden es als sehr herausfordernd, vor Publikum zu stehen und etwas darzubieten. Ob es sich um eine Theaterpremiere, einen Vortrag oder einen Beitrag zum Meeting handelt, ist dabei nicht entscheidend. Ich höre immer wieder: „Ich hätte gar nichts gegen das Präsentieren – wenn nur das Publikum nicht wäre“.
Das Publikum ist für uns, die wir auf der Bühne stehen, unberechenbar. Sind sie enttäuscht und feuern mich? Sind sie begeistert und bieten mir den Chefsessel an? Alles scheint vorstellbar.
Warum ist es uns wichtig, was die anderen denken?
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Im täglichen Gespräch sind wir es gewohnt, dass Menschen mit ihrem Gesichtsausdruck auf uns reagieren. Sie staunen, nicken, lachen oder sind mit uns gemeinsam empört. Während wir reden, „lesen“ wir in ihren Gesichtern und schätzen im Millisekundentakt ein, was in unserem Gegenüber vorgeht. Wir sind auf der Suche nach Übereinstimmung, nach Bestätigung, nach einer positiven Reaktion.
Ein unbekanntes Publikum ist schwer einzuschätzen
Je besser wir das Gegenüber kennen, desto treffsicherer sind wir mit unserer Einschätzung. Je weniger wir es kennen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit für Missverständnisse. Es passiert leicht, dass wir mit unserer Interpretation danebenliegen.
Wir kommen nach Hause und erzählen: Die Nachbarin war wütend, dass ich das Paket erst heute abgeholt habe. In Wirklichkeit hatte sie Zahnschmerzen und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Diese Missverständnisse klären sich manchmal auf, manchmal nicht. Fakt ist, wir sind der Meinung, die Situation „realistisch“ wahrgenommen zu haben. So kreieren wir unser Bild von der Welt und ihrer (angeblichen) Reaktion auf uns.
Vor dem Vortrag
Was will das Publikum?
Die Zeitschrift „Die deutsche Bühne“ hat 2018 das Publikum von drei Theatern in drei Städten quer durch Deutschland befragt. Auf die erste Frage „Warum gehen Sie ins Theater“ haben die Theaterbesucher*innen als vier wichtigste Gründe angegeben:
- Zur Unterhaltung
- Als Anregung
- Aus Interesse an gesellschaftlichen Themen
- Zur Bildung
Natürlich ist ein Theaterbesuch etwas anderes als einem Vortrag zu lauschen. Dennoch ist es eine Überlegung wert, was Menschen dazu bewegt, sich eine Performance anzusehen.
Denn auch als Vortragende wollen wir unser Publikum, genau wie im Theater, „bei der Stange halten“. Es soll interessiert bleiben, selbst wenn es sich um eine Pflichtveranstaltung handelt.
Das Thema ist trocken – und nun?
Ich höre häufig: „Ja, aber mein Thema ist leider sehr trocken“. Umso wichtiger ist es, sich über Aspekte Gedanken zu machen, die über die Trockenheit hinausgehen, damit das Publikum den größtmöglichen Nutzen hat.
Denn wenn es nicht zuhört, weil der Vortrag nichts weiter als trocken ist, dann hat keiner etwas davon.
Wie kannst du dein Thema bereichern?
Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass Statistik ein trockenes Thema ist. Der schwedische Professor Hans Rosling wurde weltberühmt mit seinen Statistik-Vorträgen. Er nutzte alltägliche Beispiele, Musik, Humor, Interaktion mit dem Publikum und einen hohen Energielevel, um das Publikum an seine Inhalte heranzuführen. Hier kannst du dir einen seiner TED-Talks auf YouTube ansehen.
Im Impro-Theater stellt man sich die Frage „Was ist noch möglich, wie kann ich noch weitergehen?“. (Hier kommst du zu meinem Artikel über den Nutzen von Impro-Theatermethoden für das Präsentieren). Stell dir diese Frage ebenfalls: Wie kann ich weitergehen? Was kann ich tun, um dieses trockene Thema unterhaltsam, anregend, gesellschaftlich relevant und/oder informativ anzureichern, so dass man mir gerne zuhört?
Ein Vortrag, der einige (oder alle) dieser Aspekte bietet, wird das Publikum begeistern.
Während des Vortrags
Darum ist die Fragestellung „Was denkt das Publikum über mich?“
Das Publikum ist eine Ansammlung von Menschen, die wir nicht kennen. Dennoch möchten wir ihre Körperhaltung, ihre Mimik und Gestik, interpretieren und den Auftritt an unsere Interpretation anpassen. Das ist ein hochgegriffenes Ziel, denn wir sind mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt, wenn wir auf der Bühne stehen. Das Licht blendet, das Mikro streikt, der Mund ist trocken, der Pulli rutscht hoch und wir hören ein seltsames Fiepen. Und jetzt sollen wir also noch in einzelne, uns unbekannte Gesichter schauen und in Bruchteilen von Sekunden entscheiden, was da gerade los ist? Das kann nicht funktionieren, denn wir haben keinen Schimmer, was in den Leuten vorgeht.
- Manche Zuschauer*innen wirken desinteressiert. In ihrem Gesicht herrscht Leere. Mögliche Gründe: Müdigkeit, Nervosität, erwartungsvolle Spannung, Hunger, Neugier. (Neulich sagte eine Klientin, sie halte sich als Zuschauerin immer zurück, um den Fokus nicht auf sich selbst zu lenken.)
- Manche Zuschauer*innen wirken wütend. Sie ziehen die Augenbrauen zusammen und kneifen die Lippen. Mögliche Gründe: Sie hören nicht gut, sie sind abgehetzt, sie kommen aus einer ärgerlichen Situation, sie sind hochkonzentriert, sie haben gerade einen Erleuchtungsmoment.
- Manche Zuschauer*innen wirken unruhig. Sie sortieren sich und ihre Habseligkeiten, stellen das Handy leise, suchen die Halspastillen, nesteln nach einem Taschentuch. Mögliche Ursachen: Sie wollen nicht stören (z. B. durch Husten oder Handyklingeln), sie sind per se körperlich unruhiger als andere Menschen, sie können sich nur konzentrieren, wenn sie in Bewegung bleiben.
Fazit: Du siehst, dass die Ursachen endlos sind und wir während des Vortrags unmöglich herausfinden können, was in jeder und jedem Einzelnen vor sich geht.
Meine Empfehlung
Ich lese häufig vor Publikum und habe viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es kam schon häufiger vor, dass eine besonders unaufmerksam wirkende Person nach der Lesung zu mir kam und mich ansprach. Sie nahm Bezug auf einzelne Aspekte der Lesung, sie war hochinteressiert an den Inhalten und an einem Austausch darüber. Während der Lesung war sie mir aufgefallen. Sie saß mit geschlossenen Augen (und meiner Meinung nach schnarchend) in der ersten Reihe, sie blickte mich mit verkniffenem Gesicht an, so dass ich dachte, sie ist mit dem Inhalt nicht einverstanden oder sie holte immer wieder ihr Handy hervor und tippte. Hinterher stellt sich heraus, sie wollte einen Kontakt für mich herstellen oder mir eine Adresse heraussuchen, sie ist frisch genesen und hat sich hergeschleppt, weil sie das Thema so begeistert oder sie erzählt lachend, dass sie ihre Gesichtsmuskeln spürt, weil sie sich so konzentriert hat und sicher morgen Muskelkater hat. Was, wenn ich jetzt Konsequenzen aus meinen „Beobachtungen“ gezogen hätte? Wenn ich ein Kapitel weggelassen hätte, weil es „offenbar eh niemanden interessiert“. Wenn ich schneller gesprochen hätte, um „es hinter mir zu haben“. Wenn ich gar frech geworden wäre und gefragt hätte: „Na, das interessiert Sie wohl nicht?“ Damit hätte ich mir und allen anderen die Stimmung verdorben – und alles nur für Hirngespinste.
Bleib dabei – auch wenn es schwerfällt
Meine Empfehlung lautet daher: Bleibe bei dem, was du vorbereitet hast. Du hast dir etwas dabei gedacht. Wenn du jetzt spontan Änderungen machst aus Angst vor dem Publikum, dann kann es sein, dass du den Faden verlierst, einen Blackout bekommst oder hinterher feststellst, dass du ausgerechnet den wichtigen Termin nicht genannt hast, der doch der Grund für den Vortrag war.
Nach dem Vortrag
Was, wenn es dem Publikum wirklich nicht gefällt?
Natürlich ist es nicht immer der Fall, dass eine Reaktion negativ wirkt, in Wirklichkeit aber positiv ist. Es gibt Situationen, wo unser Vortrag wirklich nicht gut ankommt. Dann gilt es, sich nicht entmutigen zu lassen. Setze dich anschließend hin und mach dir Notizen. An welchem Punkt hast du das Publikum verloren? Wann kamen die kritischen Kommentare oder Fragen? Was könnte die Ursache dafür gewesen sein?
Im ersten Moment ist man von solchen Reaktionen enttäuscht, aber letztlich bieten sie gute Hinweise, was wir verbessern können. Darum bleib dran, gib dir eine zweite, dritte und dann noch viele weitere Chancen!
Angstfrei Präsentieren
Wie alles (oder jedenfalls das Meiste) lässt sich der Umgang mit Publikum trainieren. Du fürchtest einen Blackout, wenn das Publikum desinteressiert guckt oder seine Aufmerksamkeit dem Smartphone widmet? Dann ist mein Einzelcoaching „Authentisch Präsentieren“ das Richtige für dich. In 5 Sessions zeige ich dir, wie du nicht nur dein Unbehagen überwindest, sondern sogar Spaß am Präsentieren vor und mit Publikum findest! Schreib mir an info@ninaweniger.de und wir vereinbaren einen Gesprächstermin.
Vor dem nächsten Vortrag
Unabhängig(er) von der Bewertung des Publikums? So fängst du an!
Paul Watzlawick hat den berühmten Satz geprägt: „Man kann nicht nicht kommunizieren“.
Das bedeutet, Kommunikation findet immer statt. Und du kannst jede Kommunikation nutzen, um dich zu üben! Du kannst herausfinden, was dich kommunikativ schwächt und was dir Kraft gibt. Übe, unabhängiger von unmittelbaren Reaktionen zu werden.
Jemand verzieht keine Mine, wenn du in der Teeküche von dem spannenden neuen Projekt erzählst? Prima. Nutze die Situation. Spüre, was dieses scheinbare Desinteresse mit dir macht. Vielleicht entsteht ein unangenehmes Gefühl, so etwas zwischen Peinlichkeit und Scham. Oder es entsteht das Bedürfnis, mitten im Satz abzubrechen und zurück ins Büro zu schleichen? Versuche, den unangenehmen Gefühlen Stand zu halten. Und beobachte, wie sie sich nach einer Weile in Luft auflösen.
Manche Menschen sind schwer zu lesen. Es kann gut sein, dass die Teeküchenperson dich später nochmal auf deinen „faszinierenden Vortrag“ in der Teeküche anspricht.
Die gute Nachricht zum Schluss
67 Prozent der Zuschauer*innen gaben in der Befragung der „Deutschen Bühne“ an, das Schlimmste im Theater sei Nacktheit auf der Bühne. Wenn du angezogen präsentierst, hast du daher schon 67 Prozent des Publikums auf deiner Seite….😅
Zusammenfassung
Vor dem Vortrag
Mach dir Gedanken, wie du deinen Vortrag unterhaltsamer, gesellschaftlich relevanter und/oder informativer gestalten kannst.
Während des Vortrags
Geh davon aus, dass das Publikum interessiert ist.
Sprich lieber langsamer als schneller und gib so dem Publikum Zeit, das Gehörte zu verarbeiten.
Ändere deinen Vortrag nicht aus Angst vor dem Publikum während des Sprechens ab.
Nach dem Vortrag
Nimm dir den Text noch einmal vor und rekapituliere: Wo haben sie gelacht? Wo waren sie ganz still? Wo wurden sie unruhig? Woran könnte das gelegen haben? Was könnte ich nächstes Mal anders machen?
Du möchtest das nicht alleine machen? Dann:
Arbeite mit mir
Du willst Unterstützung bei der Vorbereitung deines Vortrags? In meinem Einzelcoaching „Authentisch Präsentieren“ übst du den Ernstfall mit Netz und doppeltem Boden. Erst dann trittst du perfekt vorbereitet vor dein Publikum – und lässt dich durch nichts mehr aus der Ruhe bringen! Schreib mir an info@ninaweniger.de und wir vereinbaren einen (natürlich kostenlosen) Gesprächstermin.